Impuls-Interview mit Vera Aebi
Vera ist kein Coach, das sagt sie ausdrücklich! Sie nennt sich selbst Encourageuse und Essenztaucherin. Aha! Ich stutze erstmal und dann finde ich es großartig! Sie sieht sich als Impulsgeberin für ein erfülltes Leben und das umfasst eine ganze Menge. Unter anderem auch ein erfülltes Arbeitsleben. Genau dieser Aspekt eines erfüllten Lebens liegt mir wiederrum sehr am Herzen und deshalb haben wir uns virtuell getroffen. Sie die Impulsgeberin, ich die Prozessbegleiterin - beide für ein besseres (Arbeits-)Leben.
Vera, du hast mir erzählt, dass du auch erlebt hast, wie es ist, unglücklich im Job zu sein. Wie war das und wie bist du da rausgekommen?
Ich hatte gute und schlechte Führungskräfte, die mich sowohl positiv als auch negativ beeinflusst haben. Der destruktive Führungsstil einer Person hat mich am Ende sehr in meinen Grundfesten erschüttert. Ich habe eigene Kompetenzen plötzlich in Frage gestellt, von denen ich vorher fest überzeugt war. Glücklicherweise bin ich das heute wieder, aber das zeigt deutlich, wie leicht man sich von anderen beeinflussen lassen kann.
Diese Situation hatte jedenfalls auch ihre gute Seite. Ich habe angefangen, mich mit mir auseinanderzusetzen und einmal mehr zu fragen, was ich kann, was ich will und was mir wichtig ist. Daraus ist meine Selbständigkeit erwachsen, weil ich einen Beitrag leisten wollte.
Herausgekommen ist für mich, dass ich insbesondere Frauen unterstützen möchte, herauszufinden was für sie ein erfülltes Leben ausmacht und sie ermutigen ihren eigenen Weg zu gehen - unabhängig davon, was andere davon halten. Geholfen hat mir dabei ein Life Design Prozess, von dem ich auch heute noch viel in meine Arbeit einbinde.
Mit Life Design beschäftigen wir uns ja beide intensiv. Was genau heißt es für dich?
Life Design heißt für mich nicht zwangsläufig, dass komplette Leben von heute auf morgen umkrempeln, sondern einfach mal irgendwo anfangen und sich Schritt für Schritt weiter voranzutasten. Ich selbst hatte einen tollen 5 Jahresplan und musste nach 2 Jahren feststellen, dass ich ganz woanders angekommen war. Im Sinne von Life Design ist das durchaus positiv zu bewerten, auch wenn das Manchen komisch vorkommt. Es geht nämlich nicht darum, ein Ziel zu definieren und den Plan dann blindlings zu verfolgen. Es geht vielmehr darum, auch nach rechts und links zu schauen, Inspirationen aufzunehmen, Dinge auszuprobieren und sich Puzzlestein für Puzzlestein das erfüllte Leben zusammen zu basteln. Das kann dauern und braucht einen offenen Blick und eine gute Selbstkenntnis. Es ist ein Prozess, der stets im Wandel ist, da sich ja auch die Lebenssituation immer wieder verändert. Daher empfehle ich auch die eigene Life-Balance immer wieder zu reflektieren und neu zu justieren.
Das kann ich nur bestätigen. Ein Life Design Prozess ist selten geradlinig sondern verläuft meist mehreren Schleifen, die duch ausprobieren und viel Achtsamkeit mit sich selbst bewertet und angepasst werden können. Irgendwann ist es stimmig. Du sprichst auch von einem „Leben im Flow“, um glücklich zu sein. Ist das nicht etwas hoch gegriffen, immer im Flow sein zu wollen? Lässt sich das überhaupt erreichen?
Es geht tatsächlich gar nicht darum, immer und überall im Flow zu sein. Zumindest nicht nach der klassischen wissenschaftlichen Definition nach Mihály Csíkszentmihályi. Wir alle kennen das Flow-Konzept, bei dem man in einer Aufgabe total versinkt und voll energiegeladen wieder daraus auftaucht. Ich denke, dass man diese Höhenflüge durch eine weitere Komponente ergänzen sollte. Alles ist im Fluss und so kann der Fluss des Lebens mal schneller oder langsamer fließen. Er kann mal im Morast versinken und an einer anderen Stelle wieder weiterfließen. Wichtig dabei ist das Bewusstsein, dass dieser Fluss uns durch das Leben trägt und auch wenn es mal morastig wird, er fließt weiter und wird auch wieder schneller oder breiter. Ein Höhenflug nach dem anderen kann auf Dauer nicht funktionieren, das führt irgendwann zur Bruchlandung.
Zum Leben gehört beides – das Flow-Erleben und die Morast-Situationen, das Fließen und der Stillstand, die Fülle und die Leere. Erst dadurch können wir letztlich ein erfülltes Leben erfahren, weil wir die Kehrseite davon kennen.
Das ist eine sehr schöne poetische Metapher und ein sehr achtsamer Blick auf das Leben. Achtsamkeit ist ein großer Trend, der mittlerweile auch das Businessleben erfasst hat. Darüber will ich unbedingt bald auch noch einen Beitrag schreiben.
Doch zurück zu deinem Bild des Flusses, das führt mich direkt zum nächsten Aspekt, zu deiner starken Naturverbundenheit. Du bist in deine Selbständigkeit mit „Happy by Nature“ gestartet, ein Glückskonzept basierend auf deiner Wildnispädagogik-Ausbildung. Das catcht mich total, weil ich auch so ein Naturjunkie bin und das Bedürfnis nach Natur bei den meisten meiner Klienten auch meist stark im Vordergrund steht. Was kannst du uns dazu erzählen?
Meiner Meinung nach ist dieses Bedürfnis nach Naturverbindung ganz natürlich. Die Natur war und ist unsere Lebensgrundlage und wir selbst sind ja Teil dieser Natur, auch wenn wir das häufig anders erleben. Abgekoppelt davon, empfinden wir uns wohl erst seit kurzem. In der Menschheitsgeschichte leben wir nur einen Wimpernschlag lang in Städten – zeitlich durchgetaktet, alles muss nach Plan laufen, Ziele müssen erfüllt werden etc.
Ganz eindrücklich beschreibt das auch Clemens G. Arvay mit dem Biophilia-Effekt. Er beschreibt und erklärt, wissenschaftlich belegt, das heilende Band zwischen Mensch und Natur und welche positiven Einflüsse die Natur auf unser Immunsystem und auch auf unsere Psyche haben kann. Angefangen bei der Entspannung und Regeneration bis hin zur Linderung von Depressionen. Bäume sondern sogar Substanzen ab, die helfen, Krebs vorzubeugen.
Wir erfahren in der Natur, sei es im Wald oder am Strand, eine gewisse Erdung. Auch Disharmonien in der Familie nivellieren sich und sind nach einem Spaziergang oft leichter zu lösen. Wenn wir uns in der Natur aufhalten, kehren wir zu unseren Wurzeln zurück, wir werden automatisch achtsamer und das tut uns gut.
In der Natur dürfen wir einfach sein, ganz ohne Bewertung. Wir erleben, wie in der Natur alles fließt und zusammenhängt. Unsere eigene Verbundenheit mit der Natur, die dadurch entsteht, löst positive Gefühle und Sinnhaftigkeit aus – beides wichtige Aspekte, die direkt auf unser „Glückskonto“ einzahlen.
WOW! Da spürt man deine Begeisterung und ich hoffe, das kommt auch hier genauso rüber. Ich lade auch fast jedes Wochenende mein Glückskonto auf, wenn ich mit meiner Familie durch den Wald streife und wir uns wirklich Zeit lassen, alles zu entdecken. Selbst wenn unsere Tochter absolut keine Lust zum wandern hat, ist sie danach immer Feuer und Flamme und sagt, wie schön es doch war.
Du hast gerade sehr eindrucksvoll die Zusammenhänge zwischen Arbeit, Flow, Life Design und dem Glücksspender Natur erklärt. Was rätst du deinen Kunden als ersten Schritt, wenn es darum geht, sich ein erfülltes Leben aufzubauen?
Ich rate, den Blick immer als erstes auf sich selbst zu richten, d.h. sich seiner selbst bewusst zu werden, herauszufinden, was einen ausmacht, was einen antreibt und welche Werte dahinter liegen. Was sind die „must haves“ und was sind die „nice to haves“, die ein erfülltes Leben und eine für mich stimmige Life Balance ausmachen?
Wenn ich an dieser Stelle Klarheit erlange, fällt es leichter, auf dem Fluss des Lebens zu schwimmen, in den eigenen Flow zu kommen und mich nicht so sehr von Konventionen und den Erwartungen anderer beeinflussen zu lassen.
Ja, es ist tatsächlich eine große Reise auf die man sich da macht. Ich vergleiche das auch gerne mit dem Kofferpacken – was will ich mitnehmen, was ist mir besonders wichtig? Was brauche ich tatsächlich? Wenn man seine Kompassnadel richtig ausrichten will, kommt man um das Thema Selbstanalyse nicht herum. Was sind denn deine ganz persönlichen Motivatoren? Was ist Dir bei deiner Arbeit am wichtigsten?
Mein grundlegendes Why besteht darin, beizutragen, dass jeder sein Leben erfüllt und zufrieden erleben kann und gleichzeitig die kommenden Generationen auch noch eine lebenswürdige Erde vorfinden. Damit ich persönlich zufrieden im Job bin, brauche ich diese Sinnhaftigkeit meiner Tätigkeit ebenso sehr wie den Freiraum, autonom und selbstbestimmt arbeiten zu können.
Vielen Dank für deine Offenheit liebe Vera und die Einblicke in deine Arbeit. Eine allerletzte abschließende Frage habe ich noch: Wen würdest du mir als weiteren Interviewpartner empfehlen? Mit wem sollte ich unbedingt mal sprechen?
Ich kenne eine Feel Good Managerin, zu der ich gerne den Kontakt herstellen kann. Sie ist Corporate Happiness Botschafterin und vermittelt Leadership-Grundsätze anhand positiver Psychologie.
Das hört sich sehr spannend an! Das ist auf jeden Fall ein Feld, das hier beleuchtet werden sollte, weil die Art der Führung, die Organisationsstrukturen und Kulturen einen großen Einfluss auf die Mitarbeiterzufriedenheit haben. Ich verlinke hier auch noch zu deiner Seite, für alle, die mehr über dich und deine Arbeit erfahren wollen und bedanke mich recht herzlich für das Gespräch.
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